Herzlich Willkommen auf dem neuen gemeinsamen BLOG des Karatedôjô Fujinaga Leipzig e.V. und des Budoverein Fujinaga Berlin e.V.!
An dieser Stelle möchten wir dem interessierten Besucher mit Beiträgen, Berichten und Bildern einen Einblick in unser Training, unsere Aktivitäten und unsere Erlebnisse gewähren. Dabei soll immer auch unser Verständnis und unser Antrieb, mit dem wir in unseren Dôjôs Karate praktizieren, zum Ausdruck kommen.
Unsere Vereine widmen sich der Pflege und Ausübung des traditionellen Shotokan-Karate, wie es von der JKA (Japan Karate Association) unter der Leitung von Masatoshi Nakayama entwickelt wurde. Insbesondere wird das Erbe der Lehrtätigkeit von Yasuyuki Fujinaga Sensei in stillem Gedenken die Vereinsmitglieder auf ihrem Weg des Karate begleiten. Er vermittelte den Gründern beider Vereine unschätzbare Anregungen und Einsichten.

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Montag, 18. Mai 2015

6. Fujinaga Gasshuku in Lübars (2015)

Auch in diesem Jahr fand sich wieder eine Gruppe - überwiegend Wiederholungstäter - unserer beiden Vereine in Lübars ein. Bei schönen aber recht kühlem Aprilwetter reisten 7 karateka aus Leipzig und 10 karateka (inklusive Thomas) aus Berlin an, und wie üblich absolvierten wir schon am Freitag Abend ein 90 Minütiges Einstimmungstraining. 

Alle Teilnehmer des 6. Fujinaga Gasshuku
Den technischen Schwerpunkt bildete diesmal hangetsu dachi, eine Stellung, die abgesehen von der gleichnamigen kata hangetsu sowie einigen anderen kata im Shotokan kaum praktische Anwendung findet, ganz zu Schweigen vom kumite, wo sie zwar von ihrer Funktion her oft praktiziert wird, aber zumindest selten beim Namen genannt wird.

Zuerst übten wir also die Grundlagen des hangetsu dachi von der richtigen Fußstellung bis hin zur Lage des Körperschwerpunktes. Im Anschluss bewegten wir uns in hangetsu dachi vorwärts und rückwärts, erst ohne und später auch mit Block- und Stoßtechniken. Als nächstes galt es freiere Block-/Konterbewegungen aus hangetsu dachi mit suriashi, yoriashi und/oder taisabaki auszuführen. Dabei ermahnte uns Thomas immer wieder zur freiwilligen Selbstbeschränkung, also genauer gesagt dazu, die Kürze der Stellung in Verbindung mit der stärkeren Innenspannung bei jeder Aktion beizubehalten. Warum diese "gespannte" Position so wichtig ist, können sich die meisten JKA-karateka zwar jetzt schon denken, aber dazu später mehr.   


In Windeseile vergingen die ersten einenhalb Stunden und wir fanden uns zum gemeinsamen Abendbrot in den uns inzwischen gut vertrauten Räumlichkeiten ein. Wie in den Jahren zuvor stärkten wir uns an einem reichlichen und schmackhaften Buffet. Das erste Bier ging runter wie Öl und wenig später machten wir es uns unter einem fantastischen, sternenklaren Nachthimmel um das wärmende Lagerfeuer vor unseren Bungalows gemütlich. 


Obwohl es den meisten von uns sehr schwer fiel, sich aus ihren molligen Schlafsäcken zu pellen und in die morgendliche Frische unter strahlend blauem Himmel zu treten, war der kleine Kälteschock spätestens beim Frühstück mit Kaffee, Brötchen, Rührei, Obst und Nutella wieder vergessen. Um 10 Uhr starteten wir dann mit 6 Trainingseinheiten von je 45 Minuten, dazwischen 10-15 Minuten Pause und einer längeren Mittagspause. 


Thomas baute das Training wie gewohnt sehr systematisch und didaktisch gut durchdacht auf. Wir knüpften an die Übungen vom Vorabend an und begannen mit kihon aus hangetsu dachi im Stand und in der Vorwärts- und Rückwärtsbewegung. Mit gohon kumite - ebenfalls in hangetsu dachi - übten wir, die Stellung auch gegen den Druck eines Angreifers kurz und nach innen gespannt zu halten. Schon bei unfreien kumite Formen (kihon ippon kumite) oder auch halbfreien Formen (jiyû ippon kumite) ist eine Tendenz zu viel zu großen Rückwärts- bzw. Ausweichbewegung zu beobachten. Oft müssen Abstand & Ausrichtung zum Angreifer danach umständlich neu eingestellt werden, was zusätzliche Zeit kostet und gegen einen starken& schnellen Gegner im jiyû kumite (und auch im echten Kampf) die Niederlage bedeuten kann. 


Gemäß dem JKA-Prinzip "Das Ende einer Technik bildet den Anfang der nächsten Technik", sollte es unser Ziel sein, mit dem Abschluss der Parade des gegnerischen Angriffs bereits alle Ausgangsbedingungen für unseren eigenen Gegenangriff geschaffen zu haben. Das schließt die ideale maai, einen günstigen Angriffswinkel sowie die Vorbereitung der eigentlichen Kontertechnik mit ein. Je mehr Zeit&Aufwand zwischen der eigenen Parade und dem eigenen Konter liegt, desto geringer sind die Chancen aus der Begegnung siegreich hervor zu gehen. Wird dieses Prinzip schon in den unfreien und halbfreien kumite-Formen nicht verstanden und richtig praktiziert, wird man im jiyû kumite kein vernünftiges Niveau erreichen können.


Eine ganz wesentliche Rolle spielt dabei die Position des hinteren Beines. Setzt man bei taisabaki den hinteren Fuß zu weit zurück oder zur Seite, muss über einen Zwischenschritt o.a. Bewegungen nachjustiert werden, um den Gegner zu erreichen. Um das zu verhindern, kann das Gefühl von hangetsu dachi, d.h. kürzerer Abstand zwischen beiden Füßen und Innenspannung des Unterkörpers (shime) extrem hilfreich sein. Damit vermeidet man ein zu weites Öffnen der Stellung, durch das man zumindest kurzzeitig sehr eingeschränkt oder bestenfalls nur noch mit den Armen - agieren kann. 

Obwohl wir verstanden um was es ging und beim langsamen Üben alles ganz passabel funktionierte, merkten wir schnell, wie schwer es uns fiel dieses Prinzip jedes Mal richtig im Eifer des Gefechts umzusetzen. Oft machte nur eine Fußlänge einen großen Unterschied aus, daher lautete die Devise "so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich". Den ganzen Tag übten wir uchikomi mit wechselnden Partnern, versuchten, den Angriffen des Gegners durch geschickte Bewegungen im letzten Moment zu entgehen, ansatzlos und direkt in den Konterangriff über zu gehen und danach wieder eine angemessene Position einzunehmen, um schnell nachsetzen zu können oder falls nötig auf einen weiteren Angriff unseres Gegner reagieren zu können... einfach gesagt, zanshin zu behalten. 

Für die letzte Einheit des Tages legten wir Zahn- und Faustschutz an. Auf zwei kleinen Kampfflächen sollten wir versuchen, dass vorher geübte unter scharfen Bedingungen im jiyû-kumite umzusetzen. Jeder hatte 4 x 2 Minuten zu absolvieren. Das Übertreten der Kampffläche wurde gezählt und wer am Ende der 2 Minuten öfter den Fuß außerhalb der Kampffläche gestellt hatte, musste für weitere 2 Minuten kämpfen. Es ging konzentriert und konsequent, aber auch immer  kontrolliert zur Sache. Selbst Thomas stellte sich in den Ring und demonstrierte eindrucksvoll, was er von uns erwartete. Am Ende hatte jeder mehrmals ausgeteilt und auch etliche Treffer einstecken müssen. Die gegenseitige Manöverkritik war konstruktiv und ehrlich. Sicher hat auch jeder für sich Erkenntnisse gesammelt und ausgiebig über seine Leistung reflektiert. 

Erschöpft, aber unverletzt ging es wieder zurück zu unseren Bungalows. Dort durften wir unsere Geschicklichkeit beim Leitergolf noch einmal unter Beweis stellen. Die hochmotivierten Teilnehmer lieferten sich spannender Duelle, konnten aber am Ende nicht verhindern, dass ich den Titel des Lübars-Leitergolfchampion 2015 errang. Nach Spielende machten wir uns hungrig auf den Weg zum Abendessen und absolvierten zeitgleich ein lockeres age-uke-Spezialtraining. Ein Frühlingssturm wenige Wochen vor unserem gasshuku bescherte uns diesmal mehr aus genügend Feuerholz und auch das Wetter ließ uns trotz widersprüchlicher Vorgersage nicht im Stich. So verbrachten wir einen weiteren Abend gemütlich mit Gittarrenmusik, Knüppelkuchen und einer mediteranen Schlemmerplatte am Lagerfeuer.


Der Sonntagmorgen begann gemächlich: Aufstehen, Packen, Bungalows ausräumen und frühstücken. Ganz traditionell widmeten wir uns in der letzten Trainingseinheit einer kata, und es lag auf der Hand, welche es werden sollte. Weil den Fortgeschrittenen hangetsu zwar bekannt war, die meisten Anfänger aber noch nichts damit zu tun hatten, übten wir zunächst alle Passagen einzeln und setzten diese nacheinander zusammen. Thomas ging auf alle wichtigen Details ein, bis schließlich jeder den Ablauf verinnerlich hatte und alle gemeinsam die kata von Anfang bis Ende laufen konnten. Ein runder Abschluss eines schönen und lehrreichen gasshuku


An dieser Stelle wieder ein dickes Dankeschön an Thomas für die Organisation, die Planung des Training und Freizeitprogrammes sowie an alle Teilnehmer für ihren Beitrag zum Gelingen unseres kleinen aber feinen Fujinaga gasshuku. Bis zum Wiedersehen nächstes Jahr in Lübars!

OSS